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Fahrlässigkeit beschreibt im juristischen und versicherungsrechtlichen Kontext eine Form des Verschuldens, bei der jemand einen Schaden verursacht, weil er die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, obwohl er den Schadenseintritt hätte voraussehen und vermeiden können.

Es wird grundsätzlich zwischen zwei Graden der Fahrlässigkeit unterschieden:

1. Einfache (oder leichte) Fahrlässigkeit

Definition: Die einfache Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt nur in geringerem Maße verletzt wurde. Es handelt sich um eine kurzfristige Unachtsamkeit oder ein kleines Versehen, das jedem im Alltag passieren kann.

Umgangssprachliches Motto: „Das kann mal passieren.“

Beispiele:

  • Kurzzeitig vom Herd weglaufen, während Wasser kocht, und das Kochwasser läuft über.
  • Beim Aussteigen aus dem Auto versehentlich die Tür gegen ein anderes Fahrzeug schlagen.
  • Beim Abwasch rutscht ein Glas aus der Hand und fällt in das Waschbecken des Nachbarn (Mietsachschaden).

Folge im Versicherungsrecht: Schäden, die durch einfache Fahrlässigkeit entstehen, sind im Regelfall immer im vollen Umfang durch die jeweilige Versicherung (z.B. Haftpflicht, Hausrat, Kfz-Kasko) abgedeckt.

2. Grobe Fahrlässigkeit

Definition: Die grobe Fahrlässigkeit ist eine schwerwiegende Verletzung der erforderlichen Sorgfalt. Der Versicherungsnehmer missachtet die notwendige Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße und lässt außer Acht, was jedem hätte einleuchten müssen.

Umgangssprachliches Motto: „Das darf nicht passieren.“

Beispiele:

  • Das Überfahren einer roten Ampel (ohne Vorsatz).
  • Das Abstellen der Waschmaschine und Verlassen der Wohnung für Stunden, was zu einem Wasserschaden führt (wenn kein Aquastop vorhanden).
  • Das Vergessen einer brennenden Kerze und Verlassen des Zimmers für längere Zeit, was einen Brand verursacht.
  • Das Fahren bei Schnee und Glatteis mit Sommerreifen (wenn ein Unfall passiert).
  • Den Autoschlüssel im Zündschloss stecken lassen, was zum Diebstahl führt.

Folge im Versicherungsrecht (Deutschland):

Bis zur Gesetzesreform war grobe Fahrlässigkeit oft ein Leistungsausschluss. Nach aktueller Rechtslage (§ 81 Versicherungsvertragsgesetz – VVG) gilt:

  • Der Versicherer darf die Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis kürzen. Das heißt, der Schaden wird nicht zwingend voll bezahlt, sondern die Leistung kann um einen bestimmten Prozentsatz (z.B. , , ) gekürzt werden. Die Entscheidung hängt stark vom Einzelfall ab und ist oft Gegenstand gerichtlicher Klärungen.
  • Wichtiges Merkmal für gute Verträge: Viele moderne und leistungsstarke Tarife (z.B. bei der Hausrat- oder Wohngebäudeversicherung) beinhalten den „Verzicht auf die Einrede der groben Fahrlässigkeit“ (oft mit Ausnahmen für Drogen/Alkohol oder Diebstahl). Bei einem solchen Verzicht zahlt die Versicherung auch bei grober Fahrlässigkeit den vollen Schaden.
Versicherungsexperte Roland Richert Changed status to publish 1 Tag ago